ULD vs. Facebook: „Die Datenkrake“

In einem heute in den Kieler Nachrichten erschienenen Beitrag von Ulrich Metschies, der sich mit dem kurz zuvor veröffentlichten „Facebook-Boykott-Aufruf“ des Schleswig-Holsteinischen Landesdatenschutzbeauftragten befasst, komme ich kurz zu Wort – und zu einer anderen Einschätzung als die Behörde:


Vor sieben Jahren ging Facebook ans Netz. Damals ahnte niemand, dass sich aus dem sozialen Netzwerk für Harvard-Studenten eine Supermacht im Internet entwickeln würde. Dem deutschen Datenschutz gefällt das gar nicht.

Dass viele der weltweit 700 Millionen Mitglieder Privates nicht nur mit Freunden teilen, sondern auch mit Freunden von Freunden und nicht selten mit jedermann im Netz – da­rum geht es im aktuellen Streit nur am Rande. Im jüngsten Konflikt, losgetre­ten vom Unabhängigen Lan­deszentrum für Datenschutz in Schleswig-Holstein (ULD), geht es um die Erstellung von Nutzerprofilen und den Transfer von Daten in die USA – ohne Zustimmung des Nutzers. Dass Online-Netz­werke das Surfverhalten aus­werten, um Anzeigenkunden eine Reichweitenanalyse an­zubieten, das ist längst gang und gäbe.

Doch während Google die IP-Adresse der Nutzer verkürzt und eine Ver­knüpfung von Profilen mit Nutzernamen von Daten­schützern bislang nicht beob­achtet wurde, verstößt Facebook nach Überzeugung des ULD gegen deutsche und eu­ropäische Gesetze, weil Face­book Verkehrsdaten und die Namen von Nutzern ver­knüpft.

ULD-Leiter Thilo Weichert mahnt Nutzer des­halb zu größter Zurückhal­tung bei der Angabe von Da­ten auf Facebook und beim Anklicken von „social plugins“ – spezieller Module auf Internetseiten von Unterneh­men, Organisatio­nen und auch Poli­tikern. „Wer ein­mal bei Facebook war oder ein Plug­in wie den Gefällt mir-Knopf be­nutzt hat, muss davon ausgehen, dass er von dem Unternehmen zwei Jahre lang getrackt wird.“

Sprich: Facebook ist in der Lage, die Nutzerspuren im Netz zu sammeln und haarklein zu verfolgen, wer sich wann auf welcher Internetseite aufge­halten hat. Dass das Online-Netzwerk jeden Missbrauch von Daten strikt von sich weist und inzwischen sog. einen Datenschutzbeauftrag­ten ernannt hat, kann Wei­chert nicht beeindrucken.

Doch nicht nur Facebook verstößt nach Einschätzung des ULD gegen geltendes Recht, sondern auch die An­bieter von Internetseiten, die Facebook-Module enthalten und „Fanseiten“ betreiben. Das sind Marketing-Plattfor­men, über die voll automati­siert millionenfache Infos und Werbebotschaften an die Mitglieder verteilt werden, die ihre Sympathie mit dem Ab­sender per „Gefällt mir“-Klick bekundet haben.

„Das Telemediengesetz weist die Verantwortung für das, was mit den Daten passiert, ein­deutig den Anbietern der In­ternetseiten zu“, sagt ULD­-Rechtsexperte Moritz Karg.

Da Facebook weder bereit ist, die Zusammenführung von Surfinformationen und per­sönlichen Daten an die Zu­stimmung der Nutzer zu kop­peln noch Auskunft geben will, was mit den Daten pas­siert, setzt das ULD bei der Wirtschaft und anderen grö­ßeren Internetseiten-Anbie­tern die Daumenschrauben an: Sie müssen bis Ende Sep­tember alle Facebook-Plu­gins von ihren Seiten ent­fernen und ihre Fanseiten sperren. Tun sie es nicht, droht ein Bußgeld bis zu 50 000 Euro.

Mit dieser harten Linie steht das ULD bislang bun­desweit ziemlich alleine da. Zwar teilen auch Daten­schutzbehörden anderer Länder die Bewertung der Kieler. Doch Konsequen­zen wie die Schleswig-Hol­steiner müssen Firmen in anderen Bundesländern bislang nicht fürchten.

In­dustrie- und Handelskam­mer Handelskam­mer und das Unterneh­mensnetzwerk DiWiSH warnen vor massiven Wettbewerbsnachteilen für schles­wig-holsteinische Unterneh­men. Mit dem Mut der Ver­zweiflung verkündeten erste Firmen bereits den zivilen Ungehorsam. So bekundete ein Online-Supermarkt per Pressemitteilung, die Buß­gelddrohung zu ignorieren. Vor wenigen Wochen erst hat­ten Cedric May (22) und Leon­hard Wille (26) die Emma-Mobil GbR in Osterrönfeld gegründet. Ihre gesamten Er­sparnisse steckten die Jung­unternehmer in ihre Firma, deren Existenz sie nun gefährdet sehen: „Ein Online-Shop wie Emma-Mobil ist auf Social Media angewiesen“.

Juristisch ist das Vorgehen des ULD umstritten.

So sieht Jan Strunk, Anwalt für Informa­tionstechnologierecht in Kiel, keine rechtliche Basis, die Be­treiber von Fanseiten für den Datenschutz verantwortlich zu machen. Im Übrigen über­schreite das ULD mit der Bußgeldandrohung seine Kompetenzen:

„Hier hilft nur einheitliches Vorgehen. Es kann doch nicht angehen, dass schleswig-holsteinische Unternehmen ihre Internetseiten sperren, während im übrigen Deutschland munter weiter geklickt wird.“

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