Arbeitsrechtliche Basics: Mehrarbeit & Überstunden

Arbeitszeit ist nicht gleich Arbeitszeit – der feine Unterschied

Die Begriffe „Mehrarbeit“ und „Überstunden“ werden oft synonym verwendet – doch rechtlich gibt es einen entscheidenden Unterschied:

Von Mehrarbeit im arbeitsrechtlichen Sinn spricht man, wenn die gesetzliche oder tarifliche Höchstarbeitszeit überschritten wird. Überstunden hingegen sind die Überschreitung der für den Arbeitnehmer (aufgrund Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag) geltenden regelmäßigen (täglichen) Arbeitszeit.

Die rechtlichen Grundlagen sind im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) und im jeweiligen Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag geregelt.

  • Mehrarbeit liegt vor, wenn die gesetzlich zulässige Arbeitszeit überschritten wird (§ 3 ArbZG)
  • Überstunden sind Arbeitszeiten, die über die arbeitsvertraglich oder tariflich vereinbarte Arbeitszeit hinausgehen und vom Arbeitgeber angeordnet oder geduldet werden müssen

Gesetzliche Höchstarbeitszeit und Mehrarbeit

Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) setzt klare Grenzen:

  • Die tägliche Arbeitszeit darf 8 Stunden nicht überschreiten
  • Eine Verlängerung auf bis zu 10 Stunden ist nur erlaubt, wenn innerhalb von 24 Wochen oder 6 Monaten ein Ausgleich erfolgt (§ 3 ArbZG)
  • Die wöchentliche Höchstarbeitszeit liegt bei 48 Stunden (bei einer 6-Tage-Woche)

Falls die gesetzliche Grenze überschritten wird, handelt es sich um Mehrarbeit, die arbeitsrechtliche Konsequenzen haben kann. Verstöße gegen das ArbZG können mit Geldbußen von bis zu 30.000 Euro geahndet werden (§ 22 ArbZG).

Wann liegen Überstunden vor?

Überstunden setzen eine individuelle Betrachtung voraus:

  • Sie liegen vor, wenn ein Arbeitnehmer mehr arbeitet als im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag vorgesehen
  • Sie müssen entweder angeordnet oder vom Arbeitgeber geduldet sein, um als Überstunden zu gelten
  • Ein Beispiel: Ein Arbeitsvertrag sieht 37,5 Wochenstunden vor. Arbeitet ein Beschäftigter 40 Stunden, handelt es sich um 2,5 Überstunden – aber nicht um Mehrarbeit im Sinne des ArbZG

Vergütung und Abgeltung von Überstunden

Sind Überstunden zu vergüten? Die Antwort lautet: Im Prinzip ja. Aber…

  • Grundsätzlich besteht ein Vergütungsanspruch nach § 612 BGB, wenn Überstunden angeordnet wurden oder betrieblich notwendig waren
  • Arbeitnehmer müssen allerdings eine sog. objektive Vergütungserwartung haben, also nach Art, Dauer und Umfang ihrer regelmäßigen Tätigkeit davon ausgehen dürfen, dass Überstunden vergütet werden. Im Normalfall besteht sie, sofern die Arbeit notwendig oder angeordnet war.
  • Je höher die Hierarchieebene, desto geringer ist allerdings diese Erwartung. Sie kann fehlen, wenn insgesamt bereits eine deutlich herausgehobene Vergütung gezahlt wird. wovon i.d.R. bei einem Entgelt auszugehen ist, das die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung überschreitet. Führungskräfte mit hohem Gehalt müssen daher oft ohne gesonderte Vergütung Überstunden leisten.

Pauschale Überstundenabgeltungsklauseln

Viele Arbeitsverträge enthalten Klauseln wie: „Mit dem Gehalt sind alle Überstunden abgegolten.“ Doch solche pauschalen Formulierungen sind problematisch:

  • Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urt. v. 16.05.2012, Az. 5 AZR 331/11) sieht pauschale Abgeltungsklauseln nur als gültig an, wenn sie klar definieren, wie viele Überstunden abgegolten sind
  • Die Klausel muss eine konkrete Anzahl an Überstunden nennen (z. B. „Die ersten 20 Überstunden pro Monat sind mit dem Gehalt abgegolten.“)
  • Fehlt eine genaue Regelung, kann die Klausel wegen Intransparenz (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) unwirksam sein

Überstunden bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Bei Kündigung stellt sich oft die Frage, was mit angesammelten Überstunden passiert.

  • Arbeitgeber können den Arbeitnehmer in der Kündigungsfrist unter Anrechnung von Überstunden freistellen
  • Falls keine wirksame Abgeltungsklausel besteht, müssen die Überstunden in Geld ausbezahlt werden
  • Entscheidend ist, ob eine inhaltlich und rechnerisch hinreichende Arbeitszeiterfassung vorliegt, um die Überstunden nachzuweisen

Freizeitausgleich für Überstunden

Überstunden können nicht nur durch Bezahlung, sondern auch durch Freizeitausgleich abgegolten werden.

  • Der Ausgleich durch Freizeit setzt eine kollektiv- oder individualvertragliche Vereinbarung voraus
  • Der Arbeitgeber kann nicht einseitig bestimmen, dass Überstunden nur durch Freizeit abgegolten werden
  • Falls ein Arbeitnehmer während des Freizeitausgleichs krank wird, verfallen die Überstunden – im Gegensatz zu normalen Urlaubstagen (§ 9 Bundesurlaubsgesetz)

Sonderfälle: Überstunden und Mutterschutz & Elternzeit

Besondere Regelungen gelten für Schwangere und Eltern in Teilzeit:

Schwangere und stillende Frauen (§ 4 MuSchG)

  • Schwangere dürfen maximal 8,5 Stunden täglich bzw. 90 Stunden in zwei Wochen arbeiten
  • Für Minderjährige gelten noch strengere Arbeitszeitgrenzen
  • Verstöße gegen das Mutterschutzgesetz können zu hohen Geldbußen führen (§ 32 Abs. 1 MuSchG)

Elternzeit und Überstunden (§ 15 BEEG)

  • Während der Elternzeit ist die reguläre Arbeitszeit auf 32 Wochenstunden im Durchschnitt begrenzt.
  • Einzelne Überstunden sind erlaubt, solange sie die Monatsdurchschnittsgrenze nicht überschreiten.
  • Überstunden werden entweder vergütet oder durch Freizeit ausgeglichen.

Verfall und Verjährung von Überstunden

Überstunden verfallen nicht automatisch – es gelten folgende Regeln:

  1. Verfallsklauseln in Arbeitsverträgen oder Tarifverträgen
    • Eine wirksame Klausel muss mindestens eine Frist von drei Monaten vorsehen
    • Unwirksame Klauseln führen dazu, dass Überstunden nicht automatisch verfallen
  2. Allgemeine gesetzliche Verjährung
    • Falls keine Verfallsklausel existiert, gilt die allgemeine dreijährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB)
    • Die Frist beginnt zum Jahresende des Jahres, in dem die Überstunden geleistet wurden (§ 199 Abs. 1 BGB)

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